- Die Komplexität des Energiesystems in Zeiten Erneuerbarer Energien
- Wie viel und wann grüner Strom erzeugt wird
- Wann wird wie viel Strom verbraucht?
- Zwischenfazit: Erzeugungs- und Verbrauchsspitzen teilweise deckungsgleich
- Privates Verbrauchsverhalten im Zeichen der Erneuerbaren
- Was kann eine 4-köpfige Familie beim Stromverbrauch ändern?
- 5 Tipps, wie man den eigenen Stromverbrauch an die schwankende Erzeugung Erneuerbarer Energie anpasst
- Die Zukunft: Variable Strompreise
- Fazit: Stromverbrauch schlau anpassen = Energiewende unterstützen & in Zukunft Geld sparen
Die Komplexität des Energiesystems in Zeiten Erneuerbarer Energien
Der Anteil des Stroms, der aus Erneuerbaren Energien erzeugt wird, nimmt stetig zu. 2022 lag der klimaneutrale Bruttostromverbrauch im Jahresdurchschnitt in Deutschland bei 46 %. (1) Erste Schätzungen gehen davon aus, dass er 2023 sogar auf über 50 % steigen könnte. (2)
Tatsächlich unterliegt die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen aber starken Schwankungen. Denn Photovoltaik- und Windkraftanlagen arbeiten vom Wetter und von der Tageszeit abhängig. In der Mittagszeit ist eben die Erzeugung von Sonnenstrom am höchsten.
Die Komplexität des Energiesystems wird zusätzlich vergrößert, indem auch der Verbrauch im Tagesverlauf schwankt. Es gibt also Zeiten, in denen eine geringe Erzeugung von grünem Strom den Strombedarf nur teilweise decken kann. Dann müssen Speichersysteme oder fossile Kraftwerke aktiviert werden, um sogenannte disponible Leistung bereitzustellen.
Allerdings ist auch das Gegenteil immer häufiger festzustellen: Es wird dann mehr erneuerbarer Strom erzeugt, als abgenommen werden kann. In diesem Szenario wird Strom exportiert oder das System regelt die Erzeugung herunter, indem z. B. Windkraftanlagen stillgelegt werden, weil es im Netz keine Verbraucher gibt. Beide Szenarien – fossile Erzeugung, gedrosselte erneuerbare Erzeugung – sind nicht im Sinne der Energiewende.
Eine Drosselung ist aktuell leider notwendig, weil der Netzausbau dem Ausbau der Erneuerbaren hinterherhinkt. Das Netz ist dabei allerdings die essenzielle Brücke zwischen Erzeugung und Verbrauch. Und wie jede Brücke ist auch der Netzausbau eine teure Angelegenheit. Bringt man diese Brücke optimal zusammen, so kann Strom aus Erneuerbaren Energien sehr günstig genutzt werden. Das ist z. B. dann der Fall, wenn in der Nähe eines Windparks oder einer großen Photovoltaikanlage ein energieintensives Unternehmen angesiedelt ist, das den Ökostrom vor Ort verbraucht.
Eine andere Lösung für dieses Problem könnte sein, dass möglichst viele Verbraucher*innen ihren Stromverbrauch an die Erzeugung der Erneuerbaren Energien Sonne und Wind anpassen. Wenn also wenig erneuerbar erzeugt wird, wäre es besser, möglichst wenig Strom zu verbrauchen. Dazu könnten energieintensive Aktivitäten in die Zeiten verlegt werden, in denen potenziell viel Sonnen- und Windstrom erzeugt wird. Aber wann genau ist das der Fall?
Wie viel und wann grüner Strom erzeugt wird
Grüner Strom entsteht in Anlagen, die erneuerbare Energieträger nutzen. In den letzten Jahren entstanden immer mehr Solar-, Windkraft-, Biogas- und Wasserkraftanlagen.
Anteil Erneuerbare Energien an der Stromerzeugung 2022(3):
- Windkraft = 25,9 %
- Photovoltaik = 11,4 %
- Biogas = 8,2 %
- Wasserkraft et al. = 2,8 %
Der wohl größte Kritikpunkt an den Erneuerbaren Energien ist, dass die nachhaltige Stromerzeugung abhängig ist von jahres- und tageszeitlichen Schwankungen. Das betrifft vor allem Photovoltaik und Windkraft. Strom aus Biogas und Wasserkraft zeigt sich weitaus weniger abhängig von Tageszeit und Wetter und steht in nahezu konstanter Menge zu jeder Zeit zur Verfügung. Daher werden diese beiden Erzeugungsarten auch als grundlastfähig bezeichnet: Sie bedienen den stets vorhandenen Grundbedarf an Strom.
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Informieren und wechselnAm stärksten abhängig von Wetter, Jahres- und Tageszeit ist die Photovoltaik. Nachts erzeugen Solaranlagen keinen Strom und bei bewölktem Himmel nur wenig. In den Herbst- und Wintermonaten ist der Stand der Sonne flacher und sie scheint kürzer. Auch dann entsteht in der Regel weniger Strom. Die Erzeugung von Strom durch Photovoltaikanlagen findet daher vor allem im 2. und 3. Jahresquartal statt.
Im Tagesverlauf ist die Leistung von PV-Anlagen in der Mittagszeit am höchsten, der ertragreichste Monat für Solaranlagen ist in der Regel der Juni. Da ist es noch nicht zu heiß, denn zu große Hitze wirkt sich negativ auf die Leistung der Module aus.
Für die Stromerzeugung durch Windkraftanlagen spielt die Tageszeit keine Rolle: Windräder drehen sich, wenn ausreichend Wind weht. Allerdings ist gerade in Mitteleuropa Wind im Jahresverlauf nicht permanent und gleichmäßig vorhanden. Außerdem gibt es Regionen, in denen generell eher weniger oder mehr Wind weht, z. B. an den Küsten.
Vor allem in Herbst und Winter oder im Frühjahr kommt es landesweit häufiger zu Stürmen, die sich dann in der Erzeugungskurve der Windkraft im Jahresverlauf deutlich zeigen. Im 1. und 4. Quartal des Jahres liefern Windkraftanlagen daher erheblich mehr Strom als im Sommer.
Stromerzeugung von Windkraft- und Photovoltaikanlagen 2022 pro Quartal (in TWh)(4)
Quartal | Windkraft | Photovoltaik | Summe |
I | 44,8 | 8,7 | 53,5 |
II | 24,8 | 20,9 | 45,7 |
III | 19,9 | 19,6 | 39,5 |
IV | 34,6 | 6 | 40,6 |
Grüner Strom aus Erneuerbaren Energien ist ein Mix aus mehreren Energiequellen. Allerdings: Wenn nachts wenig Wind weht, können trotz Biomasse und Wasserkraft Engpässe entstehen. Denn aktuell stehen nur wenig abrufbare Speicherkapazitäten z. B. durch Pumpspeicherkraftwerke zur Verfügung.
Wann wird wie viel Strom verbraucht?
Im Jahresverlauf ist der Stromverbrauch im Winter höher als im Sommer. Natürlich sind die Unterschiede stark vom Wetter abhängig, aber in den Wintermonaten verbrauchen wir etwa 20 % mehr Strom als im Sommer.
Dieser Unterschied ist vielleicht niedriger, als man erwarten würde. Aber die Erzeugung von Licht oder der Betrieb von konventionellen Heizungsanlagen verbraucht eben nicht so viel Strom. Das könnte sich mit der verstärkten Installation strombetriebener Wärmepumpenheizungen ändern.
Im Wochenverlauf stellt sich die Verbrauchssituation etwas anders dar. Im Unterschied zu den Werktagen wird an den Wochenenden weniger Strom verbraucht. Insbesondere die Lastspitzen, also die maximal benötigte elektrische Leistung, sind Samstag und Sonntag wesentlich niedriger.
Im Tagesverlauf sind die Unterschiede beim Stromverbrauch erheblich. Am geringsten ist der Verbrauch nachts zwischen 3 und 4 Uhr. Dann werden etwa 45 TW benötigt. Ab 5 Uhr steigt der Verbrauch kontinuierlich an. Der höchste Verbrauch findet in der Mittagszeit zwischen 12 und 13 Uhr statt. Zu diesem Zeitpunkt werden durchschnittlich über 70 TW Leistung abgerufen. Das geht am Nachmittag zurück, mit einem kleinen Zwischenhöhepunkt gegen 17 bzw. 18 Uhr. Spätestens ab 22 Uhr fällt der Stromverbrauch stetig ab.(4)
Zwischenfazit: Erzeugungs- und Verbrauchsspitzen teilweise deckungsgleich
PV-Anlagen erzeugen in der Mittagszeit viel Strom, also genau dann, wenn der Verbrauch am höchsten ist.
Windkraftanlagen übernehmen einen wichtigen Teil der erneuerbaren Stromerzeugung im Herbst, Winter und Frühjahr, wenn viel Energie benötigt wird. Dann weht in Mitteleuropa mehr Wind als z.B. im Sommer.
Damit ergänzen sich diese beiden Systeme gut. Trotzdem gibt es Missverhältnisse, denn zuweilen ist zu wenig oder zu viel erneuerbarer Strom im System. In diesen Zeiten kann eine Verschiebung des privaten Verbrauchs positive Wirkung zeigen.
Was bedeutet der Unterschied zwischen erneuerbarer Stromerzeugung und generellem Stromverbrauch für mein privates Verbrauchsverhalten?
Weniger Strom zu verbrauchen, ist generell das Gebot der Stunde und unterstützt die Energiewende. Wie das aussehen kann, erläutern wir in 101 Tipps zum Energiesparen.
Trotzdem brauchen wir verlässlichen Strom, um unser alltägliches Leben zu organisieren. Die Frage ist: Können wir unsere Nachfrage besser an das schwankende Angebot von grünem Strom anpassen?
Nicht jeder Stromverbrauch lässt sich zeitlich verschieben: z. B. Haare föhnen, kochen oder am Rechner arbeiten. Es gibt aber durchaus stromverbrauchende Aktivitäten, die sich alternativ planen lassen, z. B. im Haushalt. Denn gerade Haushaltsgeräte verbrauchen sehr viel Strom.
Hier ein paar Zahlen zum Stromverbrauch von Haushaltsgeräten:
- Waschmaschine verbraucht pro Waschgang 0,6 – 1 kWh
- Trockner verbraucht pro Einheit 1,5 – 2 kWh
- Spülmaschine verbraucht je nach Programm 0,9 – 1,5 kWh
- Bügeleisen benötigt 2 – 3 kW
Das klingt alles relativ niedrig, darum ein Rechenbeispiel: Nehmen wir an, es würden gleichzeitig 1 Million Bügeleisen benutzt. Diese würden also in dem Moment etwa 2 Millionen kW Strom benötigen. Das sind umgerechnet 2 GW. Ein größeres Kohlekraftwerk liefert eine elektrische Leistung von 1 GW und müsste als disponibles Kraftwerk zugeschaltet werden.
Bedeutet: Wenn in dem Moment nicht ausreichend Ökostrom zur Verfügung steht, müssten 2 Kohlekraftwerke aktiviert werden, um die 1 Million Bügeleisen zu betreiben. Nach Einbruch der Dunkelheit zu bügeln, wenn mit Sicherheit kein Strom aus PV-Anlagen eingespeist wird, ist also vielleicht keine so gute Idee.
Was kann eine 4-köpfige Familie beim Stromverbrauch ändern?
Ein Ein-Personen-Haushalt kann den Stromverbrauch unter Umständen recht unkompliziert an die Stromerzeugung anpassen. Je mehr Mitglieder ein Haushalt hat, desto schwieriger wird es. Mit etwas Planung kann aber auch eine mehrköpfige Familie ihren Stromverbrauch smart aufstellen und so mehr grüne Energie nutzen.
Viele Haushaltsgeräte wie Waschmaschine oder Spülmaschine sind heute mit Timern ausgestattet und können so eingestellt werden, dass sie dann laufen, wenn gerade viel Erneuerbare Energien im Netz sind. Das Elektroauto oder alle smarten Geräte, die mit Akku betrieben werden, am besten nicht über Nacht laden, sondern tagsüber oder wenn möglich am Wochenende.
5 Tipps, wie man den eigenen Stromverbrauch an die schwankende Erzeugung Erneuerbarer Energie anpasst
- Große Haushaltsgeräte, die sich zeitlich regeln lassen wie z. B. Waschmaschinen, Trockner oder Geschirrspüler möglichst tagsüber benutzen.
- Ladevorgänge von Elektroautos, Akkus von Pedelecs oder anderen Großgeräten möglichst tagsüber oder am Wochenende tagsüber aufladen.
- Ähnliches gilt für Staubsauger oder Rasenmäher – egal ob mit Kabel oder Akku-betrieben, besser ebenfalls tagsüber oder am Wochenende nutzen/aufladen.
- Kleingeräte wie Rasierer, Smartphones, Zahnbürsten usw. am besten tagsüber aufladen.
- Bei Dunkelheit oder Windstille möglichst wenig Strom verbrauchen.
Übrigens: Klimageräte passen sich im Verbrauch hervorragend an die Solarstromerzeugung an. Gerade wenn die Sonne hoch am Himmel steht und die Hitze am größten ist, wird besonders viel grüner Strom erzeugt.
Tipp für Baden-Württemberger: Der Übertragungsnetzbetreiber Transnet BW betreibt die App Stromgedacht, mit der Nutzer*innen aus dem Ländle Hinweise und Tipps bekommen, wie sie den Verbrauch an die schwankende Produktion anpassen können. Ziel ist es, zur Entlastung des Stromnetzes beizutragen und damit gemeinsam Kosten und CO2-Emissionen für die Gesellschaft als Ganzes zu reduzieren.
Die Zukunft: Variable Strompreise
Um die Brücke zwischen Erzeugung und Verbrauch zu schlagen, könnte ein finanzieller Anreiz hilfreich sein. Denn erneuerbarer Strom ist inzwischen tendenziell günstiger als mit fossilen Energieträgern erzeugter Strom. Daher wird es in den nächsten Jahren vermehrt Stromtarife geben, die einen schwankenden Strompreis beinhalten. Wenn viel erneuerbarer Strom im System ist, wird der Bezug günstiger und umgekehrt.
Das bedeutet: Durch dynamische Tarife gibt es einen weiteren Anreiz, das Verbrauchsverhalten an die Erzeugung grüner Energie und die Situation in den Stromnetzen anzupassen, denn dabei kann bares Geld gespart werden. Die dafür erforderlichen smarten Zähler werden in den nächsten Jahren in die Haushalte einziehen. Eine Anpassung des Verbrauchsverhaltens an die Situation in den Stromnetzen wird durch schwankende Tarife unterstützt werden.
Fazit: Stromverbrauch schlau anpassen = Energiewende unterstützen und in Zukunft Geld sparen
Der Vorteil von erneuerbaren Energien liegt auf der Hand. Sie stehen günstig zur Verfügung, wenn die Sonne scheint, der Wind weht, das Wasser fließt und Biomasse zur Vergärung vorhanden ist.
Und sie sind umweltschonend, da bei der Stromerzeugung weniger CO2 entsteht. Die Umstellung auf grünere Energiequellen ist nicht nur möglich, sondern auch dringend notwendig, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.
Der Umstieg von fossilen Energieträgern auf Erneuerbare Energien ist aber nicht nur im Sinne des Klimaschutzes notwendig, sondern er bringt auch handfeste Vorteile für jeden Einzelnen. Eigentümerinnen und Eigentümer von Solaranlagen oder Balkonkraftwerken profitieren von niedrigen Kosten, wenn sie ihren selbst erzeugten Strom zum größten Teil selbst verbrauchen. Das entlastet außerdem die Stromnetze und fördert die Energieautarkie. All diese Vorteile kommen vor allem dann zum Tragen, wenn die Verbraucher*innen bewusster mit ihrem Stromverbrauch umgehen. Das wird sich durch dynamische Stromtarife auch im Geldbeutel niederschlagen.
Das alles klingt nach einer großen Umstellung, tatsächlich können uns schon kleine Veränderungen im Alltag einen großen Schritt voranbringen.
Belege
(1) FAQ der Bundesregierung zum Status der Energiewende
(2) Fortschrittsmonitor des Bundesverbandes der deutschen Energiewirtschaft
(3) Pressemitteilung der Bundesnetzagentur vom 4. Januar 2023
(4) Information von Energy Charts zur Stromerzeugung 2022 (PDF, siehe Seiten 33 & 34)