Photovoltaik braucht Fläche
Der Ausbau der erneuerbaren Energien bleibt eine der zentralen Aufgaben der Energiewirtschaft in den nächsten Jahren und Jahrzehnten. Neben der Energiegewinnung durch Windkraft oder Biomasse steht dabei vor allem die Stromerzeugung mittels Photovoltaikanlagen im Zentrum.
Allerdings: Solaranlagen benötigen Fläche. Deswegen gilt inzwischen für Neubauten oder neue Parkplätze ab einer gewissen Größe eine Photovoltaik-Pflicht.
Das allein reicht bisher aber nicht aus, um Deutschland komplett mit Strom aus Sonnenenergie zu versorgen. Weitere Flächen werden gebraucht; welche genau, wird diskutiert. Und diese Diskussion ist nicht ganz einfach. Denn Deutschland ist ein dicht besiedeltes Land und die Landwirtschaft hat Priorität.
Darum stehen unfruchtbare Böden oder auch Flächen an der Autobahn im Fokus. Gleichzeitig wäre es aber sinnvoll, großflächige Solaranlagen nicht im Nirgendwo zu errichten, sondern besser in der Nähe einer vorhandenen Netzinfrastruktur. Sonst steigen die Kosten, die u. a. durch die Netzentgelte für den Ausbau der Übertragungsnetze auch bei den Verbraucher*innen anfallen.
Baggerseen sind der optimale Standort für Floating PV
Daher geraten Flächen ins Blickfeld, die beide Bedingungen vereinen: Wasserflächen, die durch den Abbau von Mineralstoffen entstanden sind – gemeinhin Baggerseen genannt. Denn diese künstlichen Seen, an denen meist Kieswerke betrieben werden, stehen für keine andere Nutzung zur Verfügung. Sie eignen sich nicht für Erholungszwecke, weil die Gefahren einfach zu groß sind.
Außerdem sind Kieswerke immer leistungsstark an das Stromnetz angeschlossen, denn die dort eingesetzten schweren Maschinen wie Bagger, Rüttler oder Transportbänder benötigen Strom.
Eine auf dem Baggersee befindliche Floating PV erzeugt Strom, der zu einem erheblichen Teil direkt vor Ort verbraucht werden kann. Erzeugter Strom-Überschuss (z. B. am Wochenende) wird über die bereits gut ausgebauten Netzanschlüsse ins allgemeine Stromnetz eingespeist. Baggerseen von Kieswerken eignen sich hervorragend, um großflächige Solaranlagen auf schwimmenden Plattformen zu installieren.
Weltweit ist die Technologie der Floating PV auf dem Vormarsch. Insgesamt waren 2021 bereits Anlagen mit einer Leistung von ca. 2,6 GWpeak installiert, vor allem in Asien oder auch in den Niederlanden (1). Allein in Deutschland geht man von einem technischen Potenzial von 44 GWpeak aus. Zum Vergleich: Ein Block in einem konventionellen Kohlekraftwerk verfügt über eine Leistung von etwa 1 GW.
Floating PV bietet auch noch andere Vorteile. Mehr dazu unseren Beitrag 7 Gründe warum Photovoltaik auf einem Baggersee sinnvoll ist.
Erdgas Südwest stellt 3. Projekt in Ostrach fertig
Floating PV ist eine Technologie, die bei der Stromerzeugung der Zukunft eine sinnvolle Rolle spielen kann. Erdgas Südwest hat daher bereits zwei derartige Anlagen realisiert: Eine schwimmt auf dem Tagebausee der Kieswerke Pfadt in Leimersheim, mit einer Leistung von insgesamt 1,5 MWpeak. Seit 2019 ist eine Anlage mit 750 kWpeak bei dem Kieswerk Ossola in Renchen in Betrieb, die über Erwarten viel Strom liefert.
Beide Anlagen laufen ohne Probleme und liefern störungsfrei Sonnenstrom.
In den letzten Monaten hat Erdgas Südwest ein 3. Projekt fertiggestellt und dieses weist einige Besonderheiten auf.
Floating PV Ostrach: Erste Anlage in Oberschwaben
Die Floating PV-Anlage auf einem Baggersee bei Ostrach, ca. 40 km nördlich des Bodensees, ist die erste Anlage in Oberschwaben überhaupt. Seit 85 Jahren bauen die Kieswerke Müller dort Kies und Sand ab – Material, das im Zuge mehrerer Eiszeiten durch Gletscher aus den Alpen hierhin geschoben und auf dem Wege zerkleinert wurde.
Der durch das Abbaggern entstandene See hat eine Fläche von insgesamt 13 ha, wovon die Anlage etwa 5 % belegt.
Die Besonderheiten der Konstruktion
Auf dem See schwimmen inzwischen 2.500 Module auf einer speziellen Konstruktion des Unternehmens Zimmermann, das in der Region ansässig ist. Im Hinblick auf eine nachhaltige Lieferkette wird so eine Optimierung herbeigeführt, da die großen und voluminösen Bauteile, wie Floats und Unterkonstruktion, nicht mehr per Containerschiff aus Asien kommen. Vielmehr werden diese direkt in Deutschland produziert und zum Einsatzort transportiert. Bei den bisherigen Systemen wurden die einzelnen Solarpaneele auf je einem Schwimmkörper montiert und diese dann untereinander verbunden. In Ostrach hingegen werden Boote aus einer Stahlkonstruktion und einer Länge von über 9 m an Land zusammengebaut, die mehrere Module tragen.
Die Schwimmkörper bestehen aus HDPE-Kunststoff, einem harten Material, das der Beanspruchung durch Wasser und Sonne gewachsen ist. Der Hersteller hat die Unterkonstruktion auf eine Lebensdauer von 25 Jahren ausgelegt.
Mit 8 speziell hergestellten Seilen, auf jeder Seite 2, ist sie am Ufer verankert und kann sich nur in dem kalkuliertem Bereich bewegen. Die Konstruktion ist gegen Wind und Wetter gut gewappnet. Wellenbewegungen bis zu 1 m Höhe und Windgeschwindigkeiten bis zu 200 km/h können ohne Probleme gemeistert werden.
Der optimierte Stromertrag
Die Module werden auf dieser Konstruktion dachartig angebracht, auf Basis einer Ost-West-Ausrichtung. Dies stellt in Bezug auf den relevanten Eigenverbrauch vor Ort eine weitere Optimierung dar, da nun früher am Vormittag, als auch länger am Nachmittag höhere Leistungen erzielt werden. So besteht ein noch besserer Fit zwischen Last- und Erzeugungsprofil. Insgesamt verfügen die Module über eine maximale Leistung von 750 kW Peakleistung. Daraus dürfte sich eine Stromerzeugung von 800.000 kWh pro Jahr ergeben.
Der durch die Solarmodule erzeugte Gleichstrom wird durch die ebenfalls auf der schwimmenden Konstruktion montierten Wechselrichter in Wechselstrom umgewandelt. Durch spezielle Kabel und eine schwimmende Leitung gelangt der Wechselstrom ans Ufer zu der an Land stehenden Transformatorstation. Dort wird die Spannungsebene von Niederspannung auf Mittelspannung erhöht. Von dort fließt der Strom dann entweder direkt ins Kieswerk oder in das öffentliche Stromnetz.
Bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 4.000 kWh pro Jahr und Haushalt könnten durch die Anlage 200 Familien versorgt werden. Allerdings wird, und das ist ja auch so gewollt, mehr als die Hälfte des erzeugten Stroms gleich vor Ort für die Bagger, die Förderbänder und den allgemeinen Betrieb des Kieswerks verbraucht.
Denn auch darum eignet sich Photovoltaik ideal für die Stromerzeugung an Kieswerken: Sonnenenergie unterliegt saisonalen Schwankungen. Im Sommer produziert eine Solaranlage maximal Strom und auch das Kieswerk läuft auf Hochtouren: Die Baubranche hat in dieser Jahreszeit den höchsten Bedarf an Baumaterial – und an Strom.
Floating PV für die Region
Die Realisierung der Floating PV-Anlage in Ostrach unterlag komplett Erdgas Südwest. Projektleiter Dr. Johannes Dahlin erläutert die Rolle von Erdgas Südwest bei diesem Projekt: „Wir sind in Ostrach als Generalunternehmer aufgetreten. Das bedeutet, dass wir etwa 30 Lieferanten und Gewerke koordiniert haben. Besonders wichtig war uns dabei, dass wir mit Unternehmen aus der Region zusammengearbeitet haben. Denn damit unterstützen wir unsere Nachhaltigkeitsstrategie, indem wir die regionale Wertschöpfungskette stärken.“ So stammt z. B. der Hersteller für die Schwimmkonstruktion, das Unternehmen Zimmermann, aus dem 40 km von Ostrach entfernten Oberessendorf.
Die Vorteile dieses Vorgehens zeigte sich auch bei der Umsetzung: Nachdem das Genehmigungsverfahren und die Lieferzeit der Module, Kabel und Transformatoren mehrere Monate in Anspruch nahmen, war die Anlage binnen 14 Tage komplett installiert.
Seit Mitte März 2023 fließt erfolgreich Strom aus der Anlage in die Baumaschinen und ins Netz vor Ort.
Hier gibt es weitere Informationen zu unseren Floating PV-Projekten sowie den Kontakt zum Expertenteam.
Links
- Website des Unternehmens Zimmermann, Oberessendorf
- Website des Kieswerks Müller, Ostrach
Belege
(1) Studie des ISE Fraunhofer zum Thema Floating PV
Fotos: Popovic
Bildergalerie: Offizielle Einweihung der Floating PV in Ostrach am 5. Mai 2023
V.l.n.r.: Hubert Locher (Mitgesellschafter + Beirat Kieswerke Müller), Ralf Biehl (Geschäftsführer Erdgas Südwest), Stefanie Bürkle (Landrätin Sigmaringen), Thomas Beißwenger (Hauptgeschäftsführer ISTE Industrieverband Steine und Erden BW e.V.), Winfried Kretschmann (Ministerpräsident Baden-Württemberg), Andreas Schell (Vorstandsvorsitzender EnBW), Dr. Johannes Dahlin (Projektleiter Erdgas Südwest), Boris Heller (Teamleiter Photovoltaik Erdgas Südwest)