Wie kann man ein Hotel mit fast 100 Zimmern, großem Gourmetrestaurant und Wellnessbereich nachhaltig betreiben und entwickeln, sodass am Ende eines zeitlich absehbaren Prozesses die Klimaneutralität des gesamten Betriebes steht? Dieser Frage stellt sich das Waldhotel in Stuttgart schon seit Jahren und inzwischen sind erste Ergebnisse sichtbar. Wir haben das 4-Sterne-Superior-Haus besucht, das sich in der Landeshauptstadt unter dem Fernsehturm idyllisch an den Waldrand schmiegt.
Das Waldhotel in Stuttgart-Degerloch
Die eigentlich City-nahe Lage des Waldhotels ist ideal für alle Besucher der baden-württembergischen Landeshauptstadt, die einen ruhigen, fast abgeschieden wirkenden Aufenthaltsort bevorzugen. Direkt am Waldrand gelegen, inmitten des weitläufigen Sportparks Waldau, erwartet den Gast ein dreistöckiges Gebäudeensemble. Insgesamt 94 Zimmer und 2 Suiten mit behaglicher Ausstattung, ein Gourmetrestaurant mit 60 Plätzen, ein Spa mit Sauna, Tiefgarage und Parkplatz – was ein Hotel an Infrastruktur eben benötigt, um im gehobenen Preissegment Gästen aus aller Welt einen angemessenen Aufenthalt zu gewährleisten.
Fast 30.000 Übernachtungen wurden in dem Haus 2019 abgewickelt, darunter auch prominente Gäste. So bereitete sich die Herrennationalmannschaft des DFB in den Jahren 2020 und 2021 in Stuttgart auf ihre Länderspiele im Mercedes-Benz-Arena vor und belegte im Hotel 80 Zimmer sowie die umliegenden Trainingsgelände.
Die Nachhaltigkeitsstrategie des Waldhotels
Das Thema Umweltschutz stand schon früh auf der Tagesordnung des Hotelgewerbes. Jeder aufmerksame Gast kennt seit langem die Hinweise zum Wasser- und Handtuchverbrauch im Hotelbadezimmer. Hotels waren schon immer ein Seismograph für gesellschaftliche Trends, neuerdings bei der Digitalisierung und eben dem Klimaschutz. Das Waldhotel beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Nachhaltigkeit und brachte seit 2019 eine Vielzahl von Veränderungen auf den Weg, um diese Herausforderung anzupacken.
Wie wichtig dem Hotel das Thema ist und welche Dimension die Aufgabe einnimmt, zeigt auch der Umstand, dass mit Anna Juranek eigens eine Nachhaltigkeitsbeauftragte engagiert wurde. Erste Zwischenergebnisse aus den angestoßenen Aktivitäten zeigte 2020 ein umfangreicher Nachhaltigkeitsbericht. Hier bewertet das Haus den erreichten Status und definiert konkrete Ziele, um das Waldhotel langfristig in ein Nachhaltigkeitshotel zu verwandeln. „Nachhaltigkeit, so wie wir es verstehen, unterteilt sich inzwischen auf sieben Handlungsfelder oder Säulen, die wir systematisch bearbeitet haben. Wir sind in jedes Detail gegangen“, erläutert Frau Juranek. Neben den Umweltaspekten sind soziale Nachhaltigkeit und smarte interne Prozesse zentrale Anliegen. Regionaler Einkauf, Ãœberprüfung der Lieferketten und natürlich Energienutzung und -beschaffung sind außerdem wichtige Bereiche, die in dem Veränderungsprozess bearbeitet werden.
Energieverbrauch und Energieerzeugung eines Premium-Hotels
Um die Energiebeschaffung klimafreundlich in den Griff zu bekommen, analysieren Unternehmen wie das Waldhotel zunächst ihren Energieverbrauch. Denn es ist sinnvoll, zuerst dort Maßnahmen durchzuführen, wo das größte Einsparpotenzial liegt. „Der meiste Strom wird in der Küche verbraucht“, erläutert Hoteldirektor Jörg Grede. „Man sieht deutlich die Lastspitzen morgens beim Frühstück, mittags beim Lunch und dann wieder abends beim Fine Dining.“
Konsequenz: Es wurden neue Geräte angeschafft, die eine bessere Energiebilanz aufweisen und Prozesse neu gedacht: „Statt einer großen Spüleinheit haben wir jetzt zwei kleine. Eine läuft ständig, die zweite nur zusätzlich in Spitzenzeiten; die große Spüleinheit zuvor arbeitete hingegen die ganze Zeit. Außerdem verfügen die neuen Maschinen über eine Wärmerückgewinnung.“
Das Spa mit Sauna verbraucht weniger Energie, als vielleicht zu vermuten wäre: „Wenn wir das Spa gegen 17 Uhr anschalten, dann fährt das einmal hoch. Das Niveau dann zu halten, verbraucht gar nicht so viel“, erklärt Haustechniker Mike Schmidt. Der gelernte Elektromeister kümmert sich um den Betrieb der technischen Gebäudeinfrastruktur. Im Keller sorgt ein Blockheizkraftwerk für warmes Wasser in den Duschen und warme Heizkörper in den Gebäuden – und erzeugt dabei Strom.
Ein mächtiger, mit Gas betriebener Lkw-Motor von MAN ist das Herzstück dieser Heizungsanlage. Der Gasmotor treibt einen Stromgenerator an, die dabei entstehende Abwärme wird nahezu komplett als Heizenergie verarbeitet. „Der Nutzungsgrad der eingesetzten Energie in unserem Blockheizkraftwerk liegt bei weit über 90 Prozent“, sagt Schmidt. Allerdings ist auch dieses Blockheizkraftwerk (BHKW) wärmegeführt: Es läuft nur, wenn Heizwärme oder warmes Wasser gebraucht wird. Deswegen kann es nur einen Teil des insgesamt benötigten Stroms beisteuern.
Der CO2-Fußabdruck
Die Infrastruktur für ein Hotel dieser Größe verbraucht eine Menge Energie. Im Jahr 2019, also bevor auch das Waldhotel von den Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie betroffen war, wurden etwa 600 MWh Strom und ca. 1 GWh Gas benötigt. Insgesamt ergab sich ein CO2-Ausstoß von 12,81 kg pro Übernachtung. Beim Wasserverbrauch lag das Waldhotel mit 220 L pro Übernachtung erheblich unter dem vom Hotel- und Gaststättenverband festgestellten Durchschnittswerten in der Branche. Die Umstellung auf Grünstrom war der erste Schritt, um die CO2-Bilanz zu verbessern. Doch es bedarf vieler kleiner Maßnahmen:
- Beispiel Wasser: In einer eigenen Zisterne wird das Regenwasser gesammelt, um damit die weitläufigen Grünanlagen zu bewässern.
- Beispiel Kaffeekapseln für die Kaffeemaschinen auf den Zimmern: Statt aus Aluminium bestehen die Kapseln heute aus heimischem Holz.
- Beispiel Einkauf für das Restaurant: Die Küche setzt stark auf Regionalität und saisonale Produkte, auch beim Wein: „Wir haben alle Weine aus Ãœbersee von der Karte genommen und durch südwestdeutsche Tropfen ersetzt“, berichtet Hoteldirektor Grede. „Bei den Gästen kommt das gut an.“
Alle diese Maßnahmen zahlen positiv auf die Klimabilanz ein. Auch bei der Heizung wurde jetzt das Thema Klimaneutralität einer Lösung zugeführt – mit der Hilfe von Erdgas Südwest. Und obwohl der von der EnBW bezogene Grünstrom etwas teurer ist als der zuvor bezogene graue Strom, konnte das Hotel die Umstellung hier kostenneutral organisieren: Durch die vielfältigen Sparmaßnahmen ist der Stromverbrauch insgesamt gesunken.
Klimaneutrales Gas durch Erdgas Südwest
Seit Anfang 2022 hat das Waldhotel einen weiteren Schritt in Richtung Klimaneutralität gemacht. Seitdem wird das Blockheizkraftwerk mit Erdgas betrieben, das durch Zertifikate klimaneutral abgesichert ist, eine Dienstleistung von Erdgas Südwest. Dabei handelt es sich um ein Klimazertifikat gemäß CER. Das ist quasi der „Gold-Standard“ bei derartigen Zertifikaten, wobei CER für Certified Emission Reduction steht. Das Zertifikat stellt besonders transparent und glaubwürdig ökologische und soziale Mehrwerte sicher.
Dies gelingt, indem verursachte Emissionen durch die Unterstützung von mehr als 2.000 Umweltschutzprojekten in über 80 Ländern ausgeglichen und die nachhaltige Entwicklung vor Ort aktiv vorangetrieben werden. Im Falle des Waldhotels bedeutet das eine Kompensation von rund 190 t CO2 pro Jahr durch die Förderung eines Solarenergie-Vorhabens.
Das Waldhotel auf dem Weg in die Klimaneutralität
Noch hat das Waldhotel seine Nachhaltigkeitsziele nicht komplett erreicht. Weitere Maßnahmen stehen auf der Tagesordnung. Grede: „Wir wollen klimaneutral werden. Dazu bedarf es aber Investitionen, die wir für die nächsten fünf Jahre geplant haben.“ So soll eine große Photovoltaikanlage mit Stromspeichern installiert werden, um noch mehr eigenen Strom zu erzeugen.
In der Tiefgarage und an den oberirdischen Stellplätzen werden weitere Ladestationen für Elektroautos aufgestellt. Denn auch die An- und Abreise der Gäste soll so klimaneutral organisiert werden wie möglich. Erdgas Südwest bietet hier speziell für Unternehmen PV- und Ladelösungen.
Und was kann man als Gast tun, um das Hotel bei seinen Anstrengungen zu unterstützen? „Insgesamt stellen wir fest, dass das Thema Nachhaltigkeit bei unseren Gästen immer wichtiger wird. Meine Bitte an die Gäste ist daher: Verhalten Sie sich einfach immer so, wie Sie sich auch Zuhause verhalten würden“, wünscht sich Hoteldirektor Grede. „Zuhause versuchen Sie ja auch unnötigen Energieverbrauch zu vermeiden. Das würde uns schon erheblich unterstützen.“
Noch mehr Infos zur Nachhaltigkeit im Waldhotel Stuttgart gibt es hier.