Ventilator einer Luft-Wärmepumpe im Außenbereich eine Hauses. im Innenraum ein Heizgerät von Viessmann.

Die Zukunft der Heizung: wie Viessmann die Energiewende vorantreibt – ein exklusives Interview

Der Markt für Heiz- und Klimalösungen durchläuft aktuell einen grundlegenden Technologiewandel. Was das für Hersteller neuer Heizungen bedeutet und wie dort die Lage eingeschätzt wird, haben wir mit Dr. Frank Voßloh besprochen, dem Geschäftsführer von Viessmann Deutschland.

Der Markt für Heiz- und Klimalösungen steht aktuell im Zeichen von zwei wichtigen Entwicklungen, die einen grundlegenden Technologiewandel befeuern. Zum einen sind hier die Herausforderungen zu nennen, die sich aus dem Klimaschutz ergeben und unter dem Begriff Wärmewende zusammengefasst werden. Hierbei geht es darum, sich von fossilen Energieträgern für die Wärmeversorgung zu verabschieden und diese durch klimafreundliche Lösungen zu ersetzen. Dieses Ziel soll durch die Vorgabe der Bundesregierung erreicht werden, 65 % der Wärmeenergie ab dem Jahr 2024 aus erneuerbaren Quellen zu beziehen. Entsprechende Förderprogramme des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zahlen auf dieses Ziel ein.

Zum anderen wird der Heizungsmarkt inzwischen stark von den Entwicklungen der internationalen Rohstoffmärkte geprägt, die sich aus den Konsequenzen des Ukrainekriegs ergeben. Starke Preissteigerungen und drohende Lieferengpässe bei Gas und Öl haben zu Verunsicherung geführt und beeinflussen Entscheidungen von Verbraucher*innen. Diese Entwicklungen haben den Heizungsmarkt stark verändert, denn im Zuge der veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen müssen jetzt klimafreundliche Technologien eingesetzt werden.

Was das für die Hersteller dieser neuen Heizungen bedeutet und wie dort die Lage eingeschätzt wird, darüber haben wir uns mit Dr. Frank Voßloh unterhalten, der als Geschäftsführer bei der Viessmann Deutschland GmbH tätig ist. Voßloh ist 53 Jahre alt und studierte elektrische Energietechnik an der RWTH Aachen. Vor seiner Tätigkeit bei Viessmann war er bei verschiedenen Unternehmen der Branche wie AEG, Thyssen Krupp oder auch dem TÜV Rheinland tätig.

„Die Wärmepumpe hat ein sehr gutes Zuverlässigkeitsniveau erreicht.“

natürlichZukunft: Herr Voßloh, der Heizungsmarkt wurde in den letzten 12 Monaten nicht nur durch die Klimadiskussion beeinflusst, sondern auch durch die neuen Entwicklungen auf den Energiemärkten. Was bedeutet das für das Unternehmen Viessmann?

Dr. Frank Voßloh: Die letzten 12 Monate waren insofern schwierig, als wir eigentlich den Weg eingeschlagen hatten, dass aufgrund der staatlichen Rahmenbedingungen inklusive Förderung durch das BAFA die Wärmepumpentechnologie die nächsten 10 bis 20 Jahre klar im Fokus steht. Dann haben wir durch den traurigen Krieg in der Ukraine gedacht, dass sich diese Entwicklung noch beschleunigt. Denn der Gasmarkt ist ja unmittelbar nach Kriegsbeginn, also im März und April 2022, drastisch eingebrochen. Unerwartet hat er sich dann allerdings schnell und deutlich erholt.

Das ist natürlich für einen Hersteller in Bezug auf die Logistik schon eine Herausforderung. Konkret bedeutet das, dass wir keinen Einbruch bei Gasheizungen im zweistelligen Bereich oder gar -30 oder -40 % sehen, sondern in 2022 lag er bei -7 %. Die Gaspreise haben sich etwas erholt und wir haben den Gaspreisdeckel. Das ist für uns als Hersteller eine Herausforderung. Auf der einen Seite wissen wir, dass wir die hohe Nachfrage nach Wärmepumpen bedienen müssen. Denn wir haben hier eine riesige Auftragsvorlage. Auf der anderen Seite müssen wir auch auf der Gasseite lieferfähig bleiben.

natürlichZukunft: Die Wärmepumpe ist ja trotz dieser Entwicklungen ganz klar die beherrschende Technologie der nahen Zukunft. Viessmann hat daher in den letzten Jahren erhebliche Mittel in die Entwicklung der Wärmepumpenheizung investiert. Wie ist da der Stand? Ist die Wärmepumpe ausentwickelt oder werden wir noch weitere Innovationen sehen?

Dr. Frank Voßloh: Wir stecken in die Weiterentwicklung fossiler Lösungen keine Forschungsgelder mehr. Denn mal ehrlich: Ob Sie eine Gasbrennwertheizung von einem Wirkungsgrad von 99,4 % auf einen von 99,6 % treiben, verändert die Welt kaum. Nun orientieren wir unsere kompletten Forschungsgelder in Richtung Wärmepumpe. Ich möchte allerdings betonen, dass die Wärmepumpe ein sehr gutes Zuverlässigkeitsniveau erreicht hat.

Hinsichtlich dieser Technologie steht in den nächsten Jahrzehnten das bevor, was immer eintritt: Die Maschinen werden effizienter. Es wird weiter optimiert, auch auf der Fertigungsseite. Wir planen, eine Milliarde Euro in den nächsten Jahren in den Ausbau der Kapazitäten nachhaltiger Klimalösungen auf Basis erneuerbarer Energien zu investieren. Dazu bauen wir unter anderem ein neues, großes Werk in Polen. Volle Kraft voraus: Alle Forschungsaktivitäten gehen jetzt in Richtung Wärmepumpe und Elektrik.

Dr. Frank Voßloh, Geschäftsführer von Viessmann Deutschland, Porträt
Dr. Frank Voßloh, Geschäftsführer von Viessmann Deutschland

„Größte Zukunft hat die Luft-Wasser-Wärmepumpe“

natürlichZukunft: Welche Baugruppen stehen denn bei der Wärmepumpe besonders im Fokus? Wo ist konkret noch Luft nach oben?

Dr. Frank Voßloh: Eine Wärmepumpe besteht ja im Wesentlichen aus vier Komponenten: dem Verdichter, dem Expansionsventil, dem Verflüssiger und dem Verdampfer. Wir sind, wie eigentlich alle deutschen Hersteller, bei dem sogenannten Kältekreislauf komplett abhängig von ausländischen Zulieferern, die hauptsächlich aus der Kältetechnik kommen, konkret US-amerikanische Hersteller von Klimaanlagen. Für uns besteht jetzt die Aufgabe darin, die genannten vier Komponenten in die eigene Fertigung zu integrieren.

Man muss allerdings beachten, dass man für das Zusammenspiel der Komponenten, die einzeln an sich, hart gesagt, dumm sind, enorm viel Know-how benötigt. Diese zu einem funktionierenden System zusammenzubringen, da braucht man viel Wissen in den Bereichen Kältetechnik, Thermodynamik und Regelungstechnik. Dieses Wissen im eigenen Haus zu haben, das ist die große Aufgabe, vor der wir stehen. Dazu haben wir in Dresden ein großes Forschungszentrum eingerichtet, wo wir uns mit diesen Fragen beschäftigen. Und wenn Sie nach Luft nach oben fragen, dann möchte ich in zwei bis drei Jahren sagen können, dass wir diesen Kältekreislauf nicht zukaufen müssen.

natürlichZukunft: Bei der Wärmepumpe existieren ja ganz unterschiedliche Arten, wie die Umweltwärme genutzt werden kann. Es gibt die Geothermie-, die Luft-Luft- oder die Luft-Wasser-Technik. Welche Art der Wärmepumpe wird sich Ihrer Meinung nach durchsetzen? Aktuell scheint ja alles auf die Luft-Wasser-Wärmepumpe hinauszulaufen.

Dr. Frank Voßloh: In Bezug auf die Effektivität ist die Wärmepumpe mit der Tiefenbohrung, also das, was Sie als Geothermie bezeichnen, ganz klar im Vorteil. Allerdings gibt es da inzwischen in Deutschland hier und da ein Problem, z. B. diese Bodenabsenkungen in Baden-Württemberg. Viele Bauämter schrecken inzwischen vor Genehmigungen zurück. Nun dreht sich das wieder etwas, weil allen inzwischen noch klarer geworden ist, dass die Energie ja irgendwo herkommen muss.

Ich sehe für alle drei Technologien einen Markt. Dort, wo wir bohren können, ist die Geothermie eine gute Technologie. Vom Umweltgesichtspunkt her ist die Luft-Wasser-Wärmepumpe die Heizung der Wahl. In diesem Bereich gab es das oft thematisierte Problem mit dem Schall oder auch mit der Optik. Das haben wir jetzt allerdings mit einem ansprechenden Außengehäuse gut hinbekommen.

Das Thema Lärm ist definitiv gelöst, durch Lösungen aus dem Hause Viessmann. Man hört nicht mehr, ob die Maschine gerade läuft oder nicht. Außerdem setzen wir das moderne Kältemittel Propan ein. Das ist im Fall einer Havarie von eher geringer Schädlichkeit; sie liegt etwa auf dem Niveau von CO2. Bei der Luft-Luft-Wärmepumpe kommen leider oft Kältemittel zum Einsatz, die im Fall des Entweichens nicht so gut für die Umwelt sind, denn sie sind 100-mal schädlicher als CO2. Von daher liegt das Hauptaugenmerk von Viessmann auf der Luft-Wasser-Maschine. Dort sehen wir die größte Zukunft.

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„Die Wärmepumpe wird in 20 Jahren das Wärmeerzeugermedium der Wahl sein.“

natürlichZukunft: Ist die Vorstellung, dass ganz Deutschland in einer nahen oder fernen Zukunft mit der Wärmepumpe heizt, für Sie als Experte ein realistisches Szenario? Oder halten Sie das für Zukunftsmusik? Und in welchen Zeiträumen kann man sich das vorstellen?

Dr. Frank Voßloh: Wir sprechen hier im Unternehmen immer vom sogenannten Zielfoto; und in Bezug auf dieses Zielfoto sind wir uns einig: Die Wärmepumpe wird in 20 Jahren das Wärmeerzeugermedium der Wahl sein. Da sind wir sicher. Ich bin allerdings froh, dass ich bei Viessmann als einem Vollsortimenter tätig bin. Denn wir haben aktuell 18 Millionen fossile Heizungen in deutschen Kellern, davon 5 Millionen alte Ölkessel, 6,5 Millionen alte Gaskessel, also Heizwert mit Technologie der 80-er Jahre, und weitere 6,5 Millionen Gasbrennwertkessel.

Nun hat die Bundesregierung das Ziel entwickelt, pro Jahr 500.000 Wärmepumpen ab 2025 neu zu installieren. Die deutsche Heizungsindustrie wird das schaffen, aber wir brauchen mehr Geschwindigkeit. Das Handwerk wird noch ein bisschen umbauen müssen, was eine echte Herausforderung darstellt. Die Milchmädchenrechnung ist also: 18 Millionen Bestand geteilt durch 500.000 neu pro Jahr â€“ da kommen Sie auf 36 Jahre. Ich bin von Hause aus Ingenieur, deswegen sage ich: Das werden wir beschleunigen können. Jedoch werden wir die Umstellung auch nicht in drei Jahren hinkriegen, sondern vielleicht in 15 bis 20 Jahren. Deswegen glaube ich, dass Gas in der Ãœbergangszeit bis dorthin eine Rolle spielen wird. Irgendwann kommt dann auch der Wasserstoff in die Breite. Aber denken Sie dran: Selbst wenn man ein altes gegen ein modernes Gasgerät austauscht, kann man bis zu 30 % CO2 einsparen. Eine weitere Lösung, die ich unterstütze: Wenn man den Anteil von 65 % erneuerbare Energien bis 2024 erreichen will, frage ich mich, warum man dann jedes alte Öl- oder Gasgerät herausschmeißen muss.

Ich plädiere schwer dafür zu sagen: Lasst uns doch ein System entwickeln und eine Wärmepumpe hinzufügen, die Hydraulik leicht anpassen usw. Dann läuft eben die Wärmepumpe 300 Tage im Jahr mit grünem Strom. Und an den Tagen, an denen es kalt und grau ist, da läuft die alte Heizung. So erreicht man auch das 65-Prozent-Ziel. Ich sehe eine hybride Welt mit beiden Technologien in den nächsten Jahrzehnten. Darauf können wir uns als Industrie einstellen.

natürlichZukunft: Die Wärmepumpentechnologie ist ja aktuell bei Neubauten die bevorzugte Lösung. Aber wie sieht das im Bestand aus, z. B. bei großen mehrstöckigen Altbauten mit vielen Wohnungen? Ist die Wärmepumpe ausreichend, um diese mit klimafreundlicher Wärme zu versorgen?

Dr. Frank Voßloh: Absolut. Bis vor ein paar Jahren hatten wir ja das Problem mit den niedrigen Vorlauftemperaturen, weshalb eine Fußbodenheizung zwingend erforderlich war, um die Wärme zu transportieren. Diese Zeiten sind vorbei. Unsere Lösungen können Vorlauftemperaturen bis zu 65 Grad in die Heizkörper abgeben. Aktuell können wir bis zu 20 kW Leistung liefern, was für Gebäude mit vier bis sechs Wohnungen ausreichend ist.

Größere Anlagen sind in der Entwicklung und werden uns in zwei, drei Jahren zur Verfügung stehen. Technologisch ist das also machbar, wenn die entsprechenden Räumlichkeiten vorhanden sind, um die Heizungen aufzustellen. Die Schallemissionen sind wie erwähnt gelöst. Eine Herausforderung in Innenstadtgebieten wird die Stromversorgung sein. Photovoltaik ist dort nicht unbedingt möglich. Da wird man mit dem Netzbetreiber reden müssen, ob das alles so einfach machbar ist. Wir von Viessmann stehen in engem Austausch mit Energieversorgern und Netzbetreibern bei der Frage, wie man die Verteilnetze auslegt.

In diesem Zusammenhang hat wiederum diese hybride Lösung, von der ich eben sprach, einen gewissen Reiz. Wenn die Stadtwerke sagen, in dem oder dem Stadtbezirk gibt es morgen nicht genug Strom, dann laufen eben die alten Anlagen nochmal den einen Tag ersatzweise. Und wenn der Strom wieder laufen kann, dann schaltet man erneut um. Hybride Lösungen würden also einen entscheidenden Schritt nach vorn bedeuten, um auch im Bestand dem 65 %-Ziel näherzukommen.


Die Stiftung Warentest hat 2023 verschiedene Wärmepumpen auf dem deutschen Markt getestet. Testsieger ist ein Gerät des Unternehmens Viessmann. Hier ein Bericht der TV-Sendung ARD-Buffet über die Testergebnisse vom 28. September 2023.

  1. Werner Kübler

    Wo nehmen wir den Strom her? Auto mit E Antrieb, Heizung nur mit Strom, mit Wärmepumpe ca. 40% und dann auch noch Handys, Licht und Steuerungen rund ums Haus? Alle basiert auf Stromverbrauch der ja nur aus der Steckdose kommt. PV Anlagen weden solangsam akzeptiert aber Windräder ? In verschiedenen Gebieten sind die Bürger noch nicht aufgewacht, genausowenig wie bei Starkstrom- Verteilerleitungen.

    • Werner, die Sorgen sind völlig unberechtigt. Es wird ja nicht morgen alles umgestellt.
      Solar und Wind werden weiter ausgebaut und zwar jetzt wieder mit dem gebotenen Tempo. Zahlreiche Studien zeigen dass es mit den erneuerbaren funktioniert. wir brauchen daher keine teuren AKW und deren Risiken und Probleme.

  2. Werner Kübler

    Vielleicht noch ein 2.
    Kernkraftwerke mit Grundlast, Anlaufzeit 14 Tage, Abstellzeit genaussolange. Kohlekraftwerke sind etwas schneller, 2-3 Stunden Anlauf ( Anheizzeit) Abstellen ungefähr 2 h. Sind ja zur Systemstabilisierung teilweise notwendig, nur sie “ Verstopfen“ die Leitungen der Erneuerbaren Energien. Es gäbe noch Auswege wir errichten Speicherkapazitäten, auffüllen von Speicherseen bei Pumpspeicherkraftwerken. Wir haben ja Speicherseen, die gereinigt mindestens 20% mehr Speicherkapazität hätten.

  3. Hagenbucher

    Klimalösung ist wohl etwas hoch gegriffen. An erster Stelle steht der Profit. Die Verunsicherung der Verbraucher ist gewollt, um die Preise in die Höhe zu treiben. Ein bisschen umbauen bedeutet, dass die meisten Hausbesitzer 100 000 Euro in die Hand nehmen sollen. 40 Prozent bekommen sie vom Staat wieder zurück. Wo der das Geld herholt ist noch nicht entschieden. Leider sind die Preise auch vor dem Ukraine Krieg gestiegen, zum Wohl der Konzerne. Ich wünsche dennoch viel Erfolg.

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