Inhaltsverzeichnis
- Balkon-Solaranlagen als Massenbewegung
- Die Situation der Balkonkraftwerke und Photovoltaik in Baden-Württemberg
- Balkonkraftwerke im Südwesten in 2023
- Heidelberg ist Solarmeister bei Balkonkraftwerken
- Der Humor der Besitzer*innen von Balkon-Solaranlagen
- Standorte: Viel mehr als nur eine Solaranlage für den Balkon
- Fazit: Balkonkraftwerke haben noch viel Potential
Photovoltaik boomt, die Zahlen sind eindeutig. Noch nie in der etwa 30-jährigen Geschichte der Solarenergie wurden in Deutschland so viele Photovoltaikanlagen installiert wie im Jahr 2023. Der Zubau hat sich gegenüber dem Vorjahr (7,5 GW) auf 14,5 GW fast verdoppelt, im Vergleich zu 2021 sogar verdreifacht.1
Zum 1. Mal wurden mehr als 1 Million PV-Anlagen innerhalb eines Jahres installiert. Insgesamt liefern in Deutschland nun nach aktuellem Stand 3,7 Millionen Solaranlagen mit einer installierten Leistung von 82 GWp pro Jahr erneuerbaren Strom.
Balkonkraftwerke spielen dabei laut aktuellsten Zahlen eine immer wichtigere Rolle, denn sie ermöglichen auch Mieter*innen den Bezug von selbst erzeugter Solarenergie und damit die einfache Teilhabe an der Energiewende. So sind die Anmeldungen in 2023 nahezu explodiert. Fast 300.000 solcher Mini-Photovoltaikanlagen wurden im letzten Jahr in Deutschland neu installiert.
Das sind fast ein Drittel der insgesamt installierten Anlagen. Wobei man laut Expert*innen davon ausgehen kann, dass die Zahlen noch viel höher sein könnten, da nicht alle Anlagen registriert werden.
Inzwischen beträgt die installierte Leistung von Balkonkraftwerken 0,36 GW. Das bedeutet, dass damit geschätzt 360 GWh Strom pro Jahr erzeugt werden können – genug Strom, um 90.000 Haushalte mit einem Jahresverbrauch von 4 MWh zu versorgen.2 Bei etwa 41 Mio. Haushalten erscheint die Summe auf den ersten Blick gering. Allerdings scheint das Interesse ungebrochen, so dass man ohne Übertreibung von einem Boom sprechen kann.
Balkon-Solaranlagen als Massenbewegung
Die Gründe für die Verbreitung dieser kleinen PV-Anlagen sind vielschichtig. Zum einen sind die Eintrittsbarrieren gering. Praktisch jeder, egal ob wohnhaft zur Miete oder im Eigentum, kann diese steckfertigen PV-Module an unterschiedlichen Standorten zu Hause anbringen, auch zusätzlich zu einer bestehenden Dachanlage. Die Installation eines Balkonkraftwerkes ist technisch nicht sehr aufwändig. Und da die Anlagen immer leichter werden – die leichtesten von ihnen wiegen gerade mal 3 kg – können auch Laien damit gut umgehen.
Zudem werden aktuell noch existierende, rechtliche Hürden beseitigt. Z. B. müssen Vermieter*innen dann nicht mehr ausdrücklich zustimmen, wenn Mieterinnen und Mieter eine solche Anlage an die Balkonbrüstung anbringen wollen. Gleiches gilt für Miteigentümer*innen in einer Wohneigentümergemeinschaft.
Zum anderen sind die Einstiegspreise für derartige Anlagen durch die massenhafte Produktion immer weiter gesunken. Im Verbund mit den gestiegenen Strompreisen lohnen sich die Anlagen also relativ schnell. Insbesondere dann, wenn man seinen Stromverbrauch auf den Verlauf der Sonne ausrichtet, kann man bis zu 30 % seines Strombezugs einsparen. Balkon-PV hat also ein enormes Potenzial, die Energiewende für alle zu ermöglichen.
Und: Balkonkraftwerke bergen nicht nur einen finanziellen Vorteil, sondern leisten einen sinnvollen Beitrag zum Umbau des Energiesystems: Strom, der vor Ort erzeugt und verbraucht wird, entlastet das Stromnetz.
Die Situation der Balkonkraftwerke und Photovoltaik in Baden-Württemberg
Theoretisch eignet sich Baden-Württemberg auf Grund der geografischen Lage, der starken Sonneneinstrahlung und der vielen Sonnenstunden sehr gut für die Erzeugung von Strom aus Photovoltaik. Im Ländle ist man regelmäßig Spitzenreiter, was die Sonnenscheindauer im Bundesländervergleich betrifft.3
Daher ist es nicht verwunderlich, dass in Baden-Württemberg beim Zubau von PV-Anlagen auf privaten Hausdächern bereits einiges passiert ist. Neueste Zahlen zeigen, dass in vielen Landkreisen und kreisfreien Städten Ende 2023 in Baden-Württemberg bereits über 16 % der Wohngebäude mit 1 oder 2 Wohnungen eine Haushalts-Photovoltaikanlage installiert haben.
Daher wird das weitere Potenzial des Zubaus teilweise als nicht mehr sehr hoch eingeschätzt. Das gilt allerdings eher für den ländlichen Raum, während in den Ballungsräumen noch einiges getan werden kann – zum Beispiel mit Balkonkraftwerken.4
Balkonkraftwerke im Südwesten in 2023
Balkonkraftwerke müssen in das Marktstammdatenregister eingetragen werden, in denen alle stromerzeugenden Anlagen registriert sind. Diese Daten sind öffentlich einsehbar und erlauben daher einen detaillierten Blick auf die aktuelle Situation im Bereich Balkon-PV.
Im Marktstammdatenregister wurden für Baden-Württemberg im Jahr 2023 folgende Daten von Balkonkraftwerke eingetragen:
- Anzahl der neu registrierten Anlagen insgesamt: 33.049
- Insgesamt installierte Leistung (Bruttoleistung): 25.615 kWp
Wenn man diese Zahlen mit den in Baden-Württemberg installierten Solaranlagen5 vergleicht, ergibt sich folgendes Bild. Insgesamt wurden etwa 149.000 PV-Anlagen im Ländle installiert, davon waren also fast 22 % Balkon-PV. In Bezug auf die Leistung stellt sich das natürlich anders dar.
Da insgesamt 1.857 MWp neu in 2023 in Betrieb genommen wurden, macht Balkon-PV daher nur 1,4 % aus.
Die kleinen Balkon-Solaranlagen werden also in steigender Zahl installiert, leisten aktuell aber nur einen kleinen Beitrag zur Energiewende insgesamt. Umso höher kann der Nutzen für die einzelne Person eingeschätzt werden, kann sie doch mittelfristig bis zu 30 % ihrer Stromkosten einsparen.
Heidelberg ist Solarmeister bei Balkonkraftwerken
Wenn man die 10 größten Städte in Baden-Württemberg in Bezug auf die in 2023 installierten Balkonkraftwerke auswertet, unterscheiden diese sich doch erheblich. Während in Pforzheim auf 1.000 Einwohner*innen knapp 1 Balkonkraftwerk installiert wurde, weist Heidelberg mit 6,4 das mehr als Sechsfache auf. Die kurpfälzische Universitätsstadt liegt mit dieser Zahl unangefochten an der Spitze und kommt damit auf eine Leistung von 3,62 kWp pro 1.000 Einwohnende.
Selbst die zweitplatzierte Stadt Ulm kommt nur auf 3,9 installierte Balkon-PV. Und die Landeshauptstadt Stuttgart landet mit 1,5 auf dem vorletzten Platz.
Einwohner*innen 2023 | Anlagen | installierte kWp | Anlage pro 1.000 EW | kWp pro 1.000 EW | |
Heidelberg | 162.273 | 1.045 | 588 | 6,44 | 3,62 |
Ulm | 128.928 | 511 | 288 | 3,96 | 2,23 |
Baden-Württemberg | 11.280.257 | 33.049 | 18.968 | 2,93 | 1,68 |
Reutlingen | 117.547 | 315 | 181 | 2,68 | 1,54 |
Esslingen | 94.941 | 213 | 121 | 2,24 | 1,27 |
Freiburg | 236.140 | 476 | 257 | 2,02 | 1,09 |
Mannheim | 315.554 | 589 | 335 | 1,87 | 1,06 |
Heilbronn | 128.334 | 234 | 131 | 1,82 | 1,02 |
Karlsruhe | 308.707 | 520 | 287 | 1,68 | 0,93 |
Stuttgart | 632.865 | 960 | 530 | 1,52 | 0,84 |
Pforzheim | 127.849 | 138 | 78 | 1,08 | 0,61 |
Die Gründe für diese Unterschiede liegen auf der Hand. Einerseits liegt das sicher an den unterschiedlichen städtebaulichen Umständen und den sozialen Milieus dieser Städte. Weit wichtiger dürften allerdings die städtischen Fördermaßnahmen sein.
So kann man in Heidelberg einen finanziellen Zuschuss von bis zu 50 % auf die Anschaffung und die Installation einer kleinen steckerfertigen Balkon-Solaranlage erhalten. Ulm vergibt Zuschüsse für Balkonkraftwerke in gleicher Höhe, allerdings nur bis maximal 150 Euro. In Stuttgart gibt es maximal 200 Euro (Stand April 2024).
In Pforzheim hingegen gibt es kein Förderprogramm. Es ist offensichtlich, dass diese kommunalen Programme eine gewisse Wirkung erzielen.
Beim Vergleich der Zahlen für die Städte mit denen für das gesamte Bundesland Baden-Württemberg zeigt sich aber, dass in der Fläche viel mehr Balkonkraftwerke installiert wurden als in den Ballungsräumen. Etwa 3 von 1.000 Baden-Württembergern haben eine Balkon-PV-Anlage installiert. Nur Heidelberg und Ulm liegen über dem Landesdurchschnitt.
Das lässt den Schluss zu: Balkonkraftwerke scheinen auch für Hausbesitzende inzwischen interessant zu sein – mehr noch als für die städtischen Mieter*innen. Außerdem scheinen sich auch die Förderprogramme, die es in vielen kleinen Kommunen inzwischen gibt, auszuzahlen.
Der Humor der Besitzer*innen von Balkon-Solaranlagen
In das Marktstammdatenregister können Nutzer*innen in einem Datenfeld einen Freitext eintragen, der den Namen ihres Balkonkraftwerks dokumentiert. Die meisten geben generische Bezeichnungen ein, wie die Modellbezeichnung ihres Moduls, die Straße, in der sie wohnen, oder einfach „BalkonPV Anlage“, „Balkon-Solar Müller“ usw.
Es finden sich aber auch Bezeichnungen, die von einem gewissen Humor der Solarbesitzenden zeugen bzw. von einer Portion Stolz, Teil der Energiewende zu sein. Andere nutzen die Möglichkeit, um sich über die Tatsache zu beschweren, dass der aktuelle Anmeldeprozess noch ziemlich kompliziert ist. Künftig müssen Betreibende allerdings nur noch 5 statt 20 Angaben machen, das meldete die Bundesnetzagentur kürzlich.
Im Folgenden eine willkürliche Zusammenstellung der Einträge mit dem größten Humorpotenzial durch die Redaktion von natürlichZukunft – Schreibweisen wie im Original.
- Anlage zur Reduktion der Polkappenabschmelzung und Rettung der Eisbären
- AnlageZurKonvertierungSolarerStrahlungsenergie
- Die Sonne schickt uns keine Rechnung
- Distanzfusionskraftwerk 600 Ultra Premium Plus XXL
- Katzi’s Balkonkraftwerk mit Seeblick
- NachtsKaputt
- Photonenabsorber
- Saubere Sach
- Solarsauger
- Stromscheisserle
- UnserKleinesKraftwerk
- Viel zu umständlich, das Ganze
- wartet_auf_Sonnenstrahlen
- Westeros
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Zum SolarangebotStandorte: Viel mehr als nur eine Solaranlage für den Balkon
Außerdem lassen diese Eintragungen auch Rückschlüsse auf die tatsächlichen Standorte der kleinen Solaranlagen zu und zeigen damit, dass ein Balkonkraftwerk nicht immer an einem Balkongeländer hängen muss:
Schuppen, Garage, Garten, Gartenhäuschen, Gartenzaun, Carport, Wintergarten, Geräteschuppen, Fahrradschuppen, Papageienhaus, Spielhaus, Holzhütte, Hauswand, Pergola, Vordach Treppenhaus, Bienenstock, Gaube, Gewächshaus, Grillhütte, Hasenstall, Holzhaus, Hühnerstall, Loggia, Sauna, Schafstall, Scheune, Schweinestall, Tomatenhaus, Treppengeländer.
Fazit: Balkonkraftwerke haben noch viel Potential
Die Installation von Balkonkraftwerken auf dem Balkon, der Garage oder dem Gartenhäuschen hat sich zur Massenbewegung entwickelt. Die staatlichen Zuschüsse in vielen Kommunen und die Vereinfachung gesetzlicher Rahmenbedingungen scheinen erste Erfolge zu erzielen.
Insbesondere im sonnenverwöhnten Baden-Württemberg und generell in Ballungsräumen hat Balkon-PV noch sehr viel Potenzial. Die geplanten Vereinfachungen, die u. a. eine Erhöhung der Leistungsgrenze von 600 auf 800 Wpeak erlauben sollen, werden das starke Interesse vermutlich weiter befeuern.
Hinzu kommt eine aktuelle Entwicklung: Kleinst-Batteriespeicher werden immer kostengünstiger und in Kombination mit Balkonkraftwerken immer häufiger nachgefragt. Noch ist so eine Kombination meistens unwirtschaftlich, aber mit dem weiteren Verfall der Speicherpreise und möglicher Erhöhungen bei den Strompreisen kann auch hier ein Entwicklung einsetzen, die sich schnell zu einem Boom von Balkonkraftwerken und Kleinstspeichern entwickeln kann.
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Belege
- https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Zahl-der-Woche/2023/PD23_25_p002.html ↩︎
- https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/2024-02-photovoltaik-und-batteriespeicherzubau-in-deutschland.pdf ↩︎
- https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36178/umfrage/sonnenstunden-im-sommer-nach-bundeslaendern/ ↩︎
- https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-Fokus-Volkswirtschaft/Fokus-2024/Fokus-Nr.-457-April-2024-Haushalts-PV.pdf ↩︎
- https://www.photovoltaik-bw.de/themen/photovoltaik-ausbau-in-baden-wuerttemberg ↩︎
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