Immer mehr Menschen interessieren sich für sogenannte Balkonkraftwerke. Diese kleinen, steckerfertigen Solaranlagen werden am Balkon, der Terrasse oder im eigenen Garten befestigt und mit ein paar Handgriffen an das eigene Stromnetz angeschlossen.
Wir haben uns mit Michael Wachter darüber unterhalten, warum der Markt für Balkon-PV boomt. Michael Wachter ist Maschinenbauingenieur und Technischer Manager sowie stellvertretende Geschäftsführer von PluginEnergy. Das Unternehmen aus Glatten im Schwarzwald vertreibt PV-Anlagen in verschiedenen Größen und Leistungsstärken.
„Die Nachfrage nach Balkonkraftwerken bewegt sich weiter auf einem hohen Niveau.“
natürlichZukunft: Herr Wachter, Sie sind seit über zwei Jahren in Ihrem Unternehmen tätig und beschäftigen sich mit dem Vertrieb kleiner, steckerfertiger Solaranlagen, die man an der Balkonbrüstung befestigt. Der Markt für diese Art der Solarmodule entwickelt sich gerade sehr dynamisch. Wie stellt sich das aus Ihrer Sicht dar?
Michael Wachter: Grundsätzlich ist die Nachfrage nach Balkonsolaranlagen in den letzten Jahren definitiv kontinuierlich gestiegen. Letztes Jahr haben wir auf Grund der Energiekrise einen massiven Boom erlebt.
Aktuell hat sich die Krise etwas beruhigt und daher ist auch die Nachfrage wieder etwas zurückgegangen. Sie bewegt sich aber weiterhin auf einem sehr hohen Niveau. Das hängt meines Erachtens damit zusammen, dass diese Technologie während der Energiekrise erst so richtig bekannt geworden ist.
natürlichZukunft: Könnte eine Ursache dafür sein, dass inzwischen auch Discounter solche Produkte anbieten, die natürlich über ihr groß angelegtes Marketing breiteste Schichten der Bevölkerung erreichen?
Michael Wachter: Davon kann man ziemlich sicher ausgehen. Inzwischen sind einige Discounter oder Anbieter ganz neu in den Markt eingetreten, auch aus Bereichen, die traditionell bisher nichts mit Photovoltaik zu tun hatten.
Wir sagen allerdings immer, man sollte die Augen und Ohren nach dem passenden Produkt offenhalten. Ganz viele dieser Angebote werden mit Kunststoffkonstruktionen angeboten. Das sieht auf den ersten Blick gut aus, funktioniert auch 1 oder 2 Jahre. Die Qualität bei Optik und Leistung kann dann aber stark nachlassen.
Neben der Qualität ist für uns allerdings der Serviceaspekt mitentscheidend. Die Kund*innen sollten die Möglichkeit haben, nach dem Kauf auf einen Support zuzugreifen. Darauf legen wir in unserem Unternehmen großen Wert. Wir erhalten auch viele Fragen von den Bestellern unserer Anlagen.
„Es gibt eine nachvollziehbare Verunsicherung bei den Kunden.“
natürlichZukunft: Offenbar existiert in Bezug auf Balkonkraftwerke noch viel Verunsicherung bei der potenziellen Kundschaft. Welche Fragen stehen bei Ihnen im Vordergrund?
Michael Wachter: Es gibt viel und gut nachvollziehbare Verunsicherung. Das leidigste Thema ist tatsächlich die Frage nach den rechtlichen Rahmenbedingungen für den Betrieb dieser Anlagen in Deutschland. Alles andere ist transparent geregelt.
Denn man muss unterscheiden, zwischen dem, was gefordert ist, und dem, was letztlich nur der Wunsch oder die Empfehlung eines Vereins wie des VDE (1) ist, der sich oft als eine Art Gesetzgeber versteht. Das stiftet sehr viel Verwirrung.
Ein Beispiel ist das Thema des Steckers, also ob Schuko- oder Wielandstecker vorgeschrieben ist, um die Anlage mit dem Stromnetz zu verbinden. Das ist das am meisten diskutierte Thema.
Dabei kann man festhalten: Der Schukostecker ist zu 100 % zugelassen. Er erfüllt alle notwendigen Kriterien. Es fließen nur maximal 600 Watt über diese Kontakte. Nichtsdestotrotz ist es weiterhin Vorgabe des VDE, den Wieland- bzw. den Energieeinspeisestecker zu verwenden.
Also: Beide Systeme sind absolut sicher und gesetzeskonform. Wenn man VDE-konform sein möchte, dann kommt der Wielandstecker zum Einsatz.
Das 2. Thema, das häufig im Kundenservice abgefragt wird, betrifft die Anmeldung der Anlage. Die Anmeldung im Marktstammdatenregister ist verpflichtend. Die Anmeldung beim Energieversorger wiederum ist gesetzlich nicht vorgeschrieben.
Wir empfehlen das aber dennoch. Es ist in wenigen Minuten erledigt und vervollständigt das Ganze irgendwie. In der Vergangenheit gab es immer mal wieder Energieversorger, die sich quer stellen wollten. In der Regel funktioniert das aber.
natürlichZukunft: Und die Installation selbst ist wirklich so einfach, wie die Anbieter von Balkon-PV versprechen?
Michael Wachter: Tatsächlich erhalten wir nur sehr wenige Anfragen in Bezug auf die Installation und die Inbetriebnahme. Das Zusammenschalten von Modul, Wechselrichter und Stromkabel ist selbsterklärend und macht kaum Probleme. Ich habe neulich erst selbst mal wieder bei meinem Schwiegervater eine Anlage aufgebaut und das Ganze war in 20 Minuten erledigt.
„Dass Vermieter die Installation eines Balkonkraftwerkes ablehnen, ist eher selten.“
natürlichZukunft: Ein weiteres Hindernis scheint die aktuell noch geltende Zustimmungspflicht von Vermietern bzw. Miteigentümern in Wohneigentümergemeinschaften zu sein. Stellen Sie das auch fest?
Michael Wachter: Ja, das kommt hin und wieder noch vor. Bemängelt wird manchmal, dass die Optik der Gebäudefassade durch die spiegelnden Flächen gestört wird. Dem setzen wir eines unserer Produkte entgegen. Das ist sehr leicht und mit 3 mm sehr dünn. Die Größe ist ziemlich genau auf die übliche Höhe der Balkonbrüstungen abgestimmt.
Zuletzt ist das ganze Modul komplett schwarz und spiegelt nicht. Das geht unserer Meinung nach auch als Sichtschutz durch. Damit kann seitens der vermietenden Person bzw. der WEG nicht angekreidet werden, dass die Optik des Hauses gestört wäre.
Auf unserer Website bieten wir zudem ein Formular zum Download an, mit dem Kunden ihre Vermieter entsprechend informieren können. In der Regel funktioniert das reibungslos. Tatsächlich ist es selten, dass Vermieter das Anbringen einer unserer Anlagen ablehnen.
natürlichZukunft: Ein weiteres Thema scheint oft die Frage nach dem Stromzähler zu sein. Nach aktueller Gesetzeslage dürfen die Anlagen nicht an einen alten Stromzähler angeschlossen werden. Bei einer Einspeisung von Strom würde dieser rückwärts laufen und das ist verboten. Andererseits müsste der Netzbetreiber bei der Anmeldung der Balkon-PV dann umgehend einen neuen Zähler einbauen. Wie wird das gehandhabt?
Michael Wachter: In der Regel ist das genauso. Wenn man sich beim Energieversorger anmeldet und aktuell nur ein analoger Scheibenzähler vorliegt, dann müsste der durch einen digitalen, saldierenden Zähler ausgetauscht werden.
Unabhängig von steigenden Strompreisen werden?
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Zum Solarangebot„Balkonkraftwerke leisten inzwischen einen wichtigen Beitrag zur Energiewende.“
natürlichZukunft: Nun sollen ja einige der hier angesprochenen Themen gelockert oder ganz beseitigt werden. Wir hatten das in einem Artikel über Balkonkraftwerke hier auf dem Blog bereits thematisiert. Was wünschen Sie sich als Hersteller von der Politik, damit sich die Technologie noch dynamischer verbreitet?
Michael Wachter: Balkonkraftwerke leisten inzwischen einen wichtigen Beitrag zur Energiewende. Sie werden allein vermutlich die Welt nicht retten, aber sie sind ein wichtiges Glied der Energieversorgungskette geworden und sind nicht mehr wegzudenken.
Sie geben darüber hinaus jedem einzelnen Menschen die Möglichkeit, sich ein Stück weit unabhängiger von den steigenden Energiepreisen zu machen und seinen ökologischen Fußabdruck zu reduzieren.
Deswegen würden wir uns wünschen, dass jetzt die letzten, hier angesprochenen Hindernisse beseitigt werden, um Balkonkraftwerke flächendeckend an Bestandsgebäuden anbringen zu können.
natürlichZukunft: Aktuell wird auch diskutiert, die Leistungsgrenze von 600 auf 800 W anzuheben. Ist das schon das Ende der Fahnenstange oder ginge da noch mehr? Oder kriegen wir dann ein Problem z. B. mit dem Steckeranschluss?
Michael Wachter: Die Begrenzung liegt sicherlich in der maximalen Größe der Fläche, die an einem Balkon zur Verfügung steht. Mit unseren neuen Anlagen, die 800 Wpeak leisten, gehen wir schon auf eine Breite von etwa 4,5 m. Ganz viele Balkone geben diese Fläche allerdings gar nicht her. Unsere Wechselrichter sind zudem schon jetzt in der Lage, 800 W zu verarbeiten, und müssten nur remote entsprechend freigeschaltet werden.
natürlichZukunft: Aktuell sprechen wir immer nur von Balkonen. Es gibt aber auch andere Einsatzszenarien für solche kleinen Solarmodule?
Michael Wachter: Das ist richtig. Wir bieten auch Möglichkeiten für Flach- oder Garagendächer, für den Garten oder die Terrasse an. Die Halterung dieser Anlagen ist dann einfach anders.
„Schatten reduziert das Ergebnis eines Balkonkraftwerks erheblich.“
natürlichZukunft: Nun hat nicht jeder einen perfekt nach Süden ausgerichteten Balkon. Welche Ausrichtung der Balkonkraftwerke liefert noch einigermaßen zufriedenstellende Ergebnisse?
Michael Wachter: Das ist schwierig zu sagen. Alles von Südost bis Südwest ist sinnvoll. Meist macht es auf Grund anderer Gegebenheiten keinen Sinn, eine Anlage zu installieren. Wenn z. B. ein Baum davorsteht, der immer Schatten wirft, sollte man davon eher absehen. Selbst wenn nur eines der Module verschattet ist, wird die Anlage auf Grund der Reihenschaltung insgesamt zu wenig Strom liefern.
Was die Leistung an sich wesentlich verbessern kann, ist eine Aufstellung der Module. Wenn diese gerade am Balkon hängen, ist der Winkel ja 90°. Im Sommer wäre es sinnvoll, die Module im Winkel von 35° und im Winter von 75° aufzustellen.
natürlichZukunft: Das Thema Verschattung scheint ja wirklich eine große Rolle zu spielen.
Michael Wachter: Auf jeden Fall. Selbst kleinster Schattenwurf hat eine große Wirkung. Man sollte z. B. unbedingt darauf verzichten, an der Balkonbrüstung Blumenkästen anzubringen, vielleicht sogar mit über die PV-Anlage herabhängenden Pflanzen. Je mehr Sonne auf die Module fällt, desto besser insgesamt das Ergebnis.
natürlichZukunft: Mit welchem Ergebnis kann man denn eigentlich rechnen? Also wie viel Prozent des eigenen Stromverbrauchs kann man mit einem Balkonkraftwerk selbst erzeugen?
Michael Wachter: Das kann man so pauschal natürlich nur schwer beantworten, denn das hängt ja von der Menge des verbrauchten Stroms ab. Wir gehen aber davon aus, dass man etwa die Hälfte des erzeugten Stroms selbst verbrauchen kann. Das wiederum wären also 10 bis 20 % des eigenen Stromverbrauchs.
Der eigentliche Vorteil von Balkonkraftwerken besteht aber auch darin, dass man eben dezentral Strom erzeugt. Das entlastet die Netze und man ist weniger abhängig vom Stromnetz. Allerdings muss man eines wissen: Wenn das Stromnetz ausfällt, dann fließt auch kein Solarstrom. Die Anlagen benötigen eine Netzspannung, um einzuspeisen.
„Balkonkraftwerke sind im Prinzip wartungsfrei.“
natürlichZukunft: Sie bieten auch eine Versicherung für Balkonkraftwerke an. Was hat es damit auf sich?
Michael Wachter: Das Thema Versicherung beruht auf dem Wunsch von Kund*innen, die mit Fragen an uns herangetreten sind, wie „Was passiert, wenn meine Anlage gestohlen wird?“, „Was passiert, wenn meine Anlage nicht ausreichend angebracht wurde und bei Sturm wegfliegt?“ oder „Was passiert, wenn meine Anlage einen Schaden am Haus verursacht?“.
Bisher decken einige Hausratversicherungen Balkon-PV nicht ab. Wir sind daraufhin mit unserer Sparkasse ins Gespräch gegangen und konnten erreichen, dass die Versicherung von Balkon- und Garten-PV-Anlagen im Rahmen einer Hausratversicherung organisiert wird.
Diebstahl, Vandalismus und andere genannte Szenarien sind dabei inkludiert. Die Kosten liegen im Rahmen einer normalen Hausratversicherung.
natürlichZukunft: Wie ist das mit der Wartung der Anlagen? Soll man die Module regelmäßig z. B. von Staub reinigen, um die Leistung zu gewährleisten?
Michael Wachter: Eigentlich sind die Module wartungsfrei. Wenn jedoch wie jetzt im Frühjahr der Saharastaub zu uns rüberweht oder auch nach der Pollensaison, empfehlen wir, die Module mit einem normalen Haushaltsschwamm, lauwarmen Wasser und etwas Spülmittel zu reinigen.
Beim Wechselrichter ist wichtig zu beachten, dass der an einem schattigen Platz steht. In der prallen Sonne könnte das Gerät überhitzen, in einen Schutzmodus fallen und die Leistung wird reduziert.
(1) VDE = Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V.